Bezaubernder Konzertabend mit Gerlint Böttcher

12. August 2014

Taunus Nachrichten, Annette Wittkopf, Fotografie © Susan Paufler

 

Oberhöchstadt (pf) - Gerlint Böttcher, eine Pianistin, die ohne große Gesten auskommt. Sie setzt sich an den Flügel, konzentriert sich in einer Minute der Stille, streicht noch einmal kurz eine Haarsträhne hinters Ohr und beginnt dann zu spielen. Ludwig van Beethovens Es-Dur Sonate op. 31 Nr. 3 hatte sie sich Freitagabend im sehr gut besuchten Festsaal des Altkönig-Stifts als erstes Stück ausgewählt. Die Sonate beginnt mit einigen leisen Akkorden, verlangt aber schon bald kraftvolles Zupacken, einfühlsames interpretatorisches Gestalten und Virtuosität, wenn sich pointierte Akkorde mit perlenden Läufen abwechseln. Es war ein Genuss zu erleben, wie die sympatische Künstlerin das reizvolle Werk mit farbenreichem Klang, Temperament und Spielfreude präsentierte.

 

Weiter ging es mit den in ihrem Charakter ganz unterschiedlichen Impromptus Nr. 1 c-Moll und Nr. 2 Es-Dur op. 90 von Franz Schubert, vielen vielleicht noch aus dem eigenen Klavierunterricht bekannt, und dem kontrastreichen „Rondo capriccioso“ op. 14 von Felix Mendelssohn Bartholdy.

 

Xaver Scharwenka, von dem anschließend das Impromptu D-Dur op. 17 auf dem Programm stand, war wohl nur wenigen Konzertbesuchern bekannt. Dabei war der 1850 geborene deutsche Komponist, Pianist und Musikpädagoge mit polnisch-tschechischen Wurzeln, der 1924 in Berlin starb und dort in einem Ehrengrab seine letzte Ruhestätte fand, ein musikalischer Repräsentant der Wilhelminischen Ära zwischen den Kriegen 1870/71 und 1914/18, einer der erfolgreichsten Künstler seiner Zeit und galt damals obendrein als der berühmteste Klaviervirtuose der Welt. Sein ganz der Romantik verpflichtetes Impromptu, in der Nachfolge von Mendelssohn und Schumann, gestaltete Gerlint Böttcher fantasievoll und einfühlsam.

 

Mit den Balladen Nr. 2 F-Dur und Nr. 1 g-Moll von Frédéric Chopin, in denen die renommierte Pianistin noch einmal alle Fassetten ihres Könnens aufleuchten ließ, ging der Konzertabend bravourös und stimmungsvoll zu Ende. Ohne eine Zugabe allerdings ließ das begeistert applaudierende Publikum die charmante Künstlerin... nicht gehen. Im Rahmen des Rheingau Musik Festivals gab am selben Abend im Wiesbadener Kurhaus der italienische Pianist Maurizio Pollini einen Klavierabend mit Werken von Frédéric Chopin und Claude Debussy. „Gerlint Böttcher tritt gegen Maurizio Pollini an“, meinte lächelnd eine Musikliebhaberin vor Beginn des Konzerts. Sie hatte sich für den Klavierabend im Altkönig-Stift entschieden und damit nicht nur eine ganz hervorragende, sondern bestimmt auch keine falsche Wahl getroffen.