Bravorufe für federleichte Romantik

07. November 2016

Kölner Stadtanzeiger, Bericht: Dietmar Fratz, Foto: Dietmar Fratz

 

Klavierabend: Gerlint Böttcher spürte auch zeitgenössischen Impressionen nach

Bedburg. Über gut asphaltierte Musikwege und wenig ausgetretene Pfade der Romantik, dazu durch noch nahezu unerschlossene zeitgenössische Wälder führte Gerlint Böttcher das Publikum beim Klavierabend der Konzertgesellschaft im Bedburger Schloss.

 

Auf dem hellblauen, seidig schimmernden Kleid der Pianistin windet sich eine Schlange aus silbrigen Pailletten empor. Ein Hinweis auf die vielen Naturimpressionen, die Böttcher mit den Musiken und dem Flügel nachzeichnen wird? Romantik pur, auch bei zeitgenössischen Stücken, zauberte die Berliner Künstlerin und Hochschuldozentin in den ebenfalls keineswegs unromantischen Arkadenhof.

 

Zwei Rhapsodien von Jan Vorisek aus dem Wien des frühen 19. Jahrhunderts atmen noch Mozarts Klassik, getüncht mit früher Romantik. In der Höhe leicht klirrend dank der harten Akustik des Raumes, gelangen farbige Triller und Vorhalte, die sich zwingend auflösten. Harmonisch eher übersichtlich, leben die Stücke vom Spannungsfeld zwischen rasantem Laufwerk und fest gefügtem Bass, über dem sich elegante Melodiebögen spannten.

 

Ein Glanzlicht setzte die Pianistin mit Schuberts bekanntem Impromptu in Es-Dur (nach dem in As). Die abwärts perlenden, flatternden Kaskaden gelangen spielfreudig und beseelt. Der Bösendorfer-Flügel blieb auch in tiefem Gewölk klar zeichnend, trotz reichlich Pedal. Der pragmatisch gesetzte Schluss geht auch ein wenig sanfter, zeugt aber von konsequentem Verzicht der Pianistin auf Pathos und Opulenz.

 

Die melancholische Einleitung zu Chopins Ballade Nr. 1 (g-Moll) faltet eine breitere Themen- und Harmoniewelt auf, die Böttcher verträumt und gefühlvoll, fast beiläufig trotz anspruchsvollster Virtuosität herausarbeitet. Gute Tempi und eine Dynamik, die nach oben und unten die Extreme vermied, erfreuten die Besucher im voll besetzten Atrium.

 

Anspruchsvolle Technik bewältigte die Pianistin augenscheinlich und hörbar federleicht auch bei Liszts Konzert-Etüden, der rasant-tänzelnden Paganini-Etüde, für die es Bravo-Rufe aus dem Publikum gab, und der volkstönig-ziganen Ungarische Rhapsodie, die schwere Schritte der Gegenwart gegen leichtfüßig-sentimentale, im Laufwerk gelegentlich holprige Erinnerung setzt.

 

Malerisch ausdrucksvoll stellten impressionistische Miniaturen von Günther Kasseckert den Kontrast zu den Romantikern dar. Böttcher hatte den Zeitgenossen bei einem Konzert im Badischen kennen gelernt, wo seine Fantasien und Charakterstücke in Orchesterversion erklangen. "Die vom Komponisten bearbeitete Klavierfassung läßt viel mehr Detailfreude zu", erläutert Böttcher nach dem Konzert. Für die "Marschierende Waldameisen" war ein Forte vorgesehen. "Das sind doch keine Nashörner" hatte Böttcher dem Komponisten gesagt. "Kasseckert ist froh, dass ich den Stücken, die tief aus der Seele kommen, meine persönliche Note mitgebe. Wir stehen in regem Kontakt.

 

Der Komponist nach eigener Aussage "Musiker aus Berufung, aber kein Berufsmusiker", wie der Programmzettel verrät. Im Hauptberuf arbeitet er als Psychotherapeut. Grautönige Seelenspiegel bei den Stücken "Nebelgestalten", "Feuertanz" oder dem finsteren "Ring der Dunkelheit" aus der "Waldfantasie" ließen auch das muntere Abgleiten in einen zupackenden Ragtime zu. Böttcher spürte sensibel der Szenerie der Programmmusik nach.

 

Ungeeignet für einen Waldspaziergang schienen jedoch ihre Schuhe mit richtig hohen Absätzen. "Damit spiele ich immer. Das geht gut", kommentierte die Berliner Pianistin das ungewöhnliche Schuhwerk, mit dem sie als Künstlerin auf dem Konzertabend im Bedburger Schloss mühelos und trittsicher die herbstlichen Wanderpfade abschritt.

 

Bildunterschrift:

Im Arkadenhof des Bedburger Schlosses spielte die Berliner Pianistin Gerlint Böttcher romantische und zeitgenössische Stücke mit viel Gefühl und Ausdruck.