Gerlint Böttcher: spielt Klavier

Ein willkommenes Geschenk

 

klassik.com, Axel Engels

 

"Gerlint Böttcher, die über mehrere Jahre in Italien hochrangige Preise und Medaillen bei internationalen Wettbewerben einsammelte, ist neben ihrer Tätigkeit an der Berliner Musikhochschule ‘Hanns Eisler’ auch auf vielen Konzertpodien Europas und des Nahen Ostens zu hören gewesen. Nun hat diese versierte Pianistin bei dem kleinen, aber exquisiten Klassiklabel querstand ein Programm eingespielt, das ihrem Ruf als gefühlvolle Virtuosin entspricht. Die Wahl dieses Labels, das seit 1994 hochwertige Produktionen speziell im Bereich der Orgelmusik vorgelegt hat, ist dabei ein gutes Beispiel dafür, dass kleinere Labels oft mit mehr Sorgfalt arbeiten als es leider manchmal bei großen multi-nationalen Konzernen anzutreffen ist. Dies zeigt sich auffällig im zweisprachigen Booklet. Detaillierten Angaben zu den einzelnen Werken laden zum intensiven Lesen ein, Dr. Katrin Seidel hat sie mit fundiertem Sachverstand nicht wissenschaftlich trocken, sondern sprachlich einfühlsam und ansprechend geschrieben. Klangtechnisch hat der Tonmeister perfekt gearbeitet. Selbst Angaben zum gewählten Instrument, früher üblich, heute oft vernachlässigt, runden den positiven Eindruck ab. Zurück zur Musik und dem Programm überrascht Gerlint Böttcher mit der Zusammenstellung und Aneinanderreihung der gewählten Werke. In unzähligen Einspielungen hervorragender Pianisten der verschiedenen Generationen vorliegende Werke erklingen durch die individuelle Kombination quasi in neuem Zusammenhang, lassen den großen Begriff der Virtuosität ungemein facettenreich erscheinen. Dabei geht es im Spiel von Gerlint Böttcher nie um spieltechnische Probleme, auch wenn die Kompositionen höchste Anforderungen stellen. Vielmehr sind es die Klänge und Ideen hinter den Noten, die bei Gerlint Böttcher zum Leben erweckt werden. Dies zeigt sich direkt im Eingangswerk, dem ‘Le Tombeau de Couperin’ von Maurice Ravel. Im Spiel der Pianistin geht es nicht um virtuose Prahlerei oder improvisatorisches Schwärmen, sondern um Emotionalität und Intensität. Mit einem strahlenden, kristallenen Klang eröffnet sie diese Suite mit dem ‘Prélude’, wo ihre Lebendigkeit mit technisch perfekt gespielten Verzierungen besticht. Klarheit im architektonischen Aufbau zeigt sich in der Interpretation der ‘Fugue’.

 

Den Reigen der folgenden Tanzsätze spielt sie mit einer Mischung aus Galanterie und Spielfreude, deren Zauber man sich nur schwer entziehen kann. In der abschließenden ‘Toccata’ kann sie sämtliche Facetten ihrer Virtuosität zeigen, die allerdings nicht als Selbstzweck eingesetzt wird. Danach geht es in eine ganz andere Klangwelt, zum ‘Rondo capriccioso’ op.14 von Felix Mendelssohn Bartholdy. In der Introduktion zeigt Gerlint Böttcher ein sehr cantables, inspiriertes Spiel, das in der Melodiegestaltung sämtlichen dynamischen Entwicklungen nachkommt. Sehr grazil und differenziert erklingen dann die imitatorisch aufgebauten Rondoteile, deren leggiero-Passagen ebenso mitreißen wie die konzertant gesteigerten Effekte der Oktavencoda.

 

Mit der ‘Sonate für Klavier Nr.2 d-moll op.14’ von Sergej Prokofjew spielt Gerlint Böttcher ein Werk, dessen Dramatik ein wichtiger Bestandteil der Interpretation sein muss. Die Gradwanderung zwischen Größe und Tonstärke meistert sie hier auf eindrucksvolle Art. Kontraste arbeitet sie konsequent heraus, ohne in rein äußere Darstellung zu verfallen. Exzentrisch humoristische Eigenarten der Komposition spielt sie sehr differenziert, wobei sie in den lyrisch bestimmten Passagen mehr beeindruckt als in den virtuos rasanten Passagen, deren Schärfe sie zwar spielt, aber sie gelangt hier wohl auch an ihre Grenzen. In den abschließenden drei Etüden von Franz Liszt ist Gerlint Böttcher dann wohl wieder in dem pianistischen Metier, in dem sie sich mit ihrer ganzen Emotionalität und ihrem Klangsinn einbringen kann. Mit hervorragender Anschlagskultur meistert sie diese, wobei ihre Interpretation des ‘Gnomenreigen’ für den Hörer fast noch vom ‘Vivace’ der Prokofjew-Sonate erschlagen klingt, der Kontrast innerhalb der Programmatik hat auch seine Gefahren. Mit der ‘Etüde Nr.2 Es-Dur’ aus den ‘Grandes études de Paganini’ verabschiedet sich die Pianistin sehr eindrucksvoll, spielt sie hier mit einem sehr guten Klangempfinden diese inspirierte Musik.

 

Mag man sämtliche Kompositionen durch anderen Einspielungen auch kennen, Chancen und auch Gefahren dieser Werkkombination machen diese CD zu einer willkommenen Abwechslung vom rein technisch bestimmten Virtuosentum."