Gerlint Böttcher stellt zwei große Komponisten einander gegenüber

27. Oktober 2015

Lüdenscheider Nachrichten, Björn Othlinghaus, Fotografie © Björn Othlinghaus

 

Meisterpianistin spielt Werke von Jan Václav Vorísek und Franz Schubert / Musik weist als Bindeglied zwischen Klassik und Romantik viele Parallelen auf

 

Lüdenscheid. Franz Schubert ist wohl jedem ein Begriff, ganz im Gegensatz zu Schuberts Zeitgenossen Jan Václav Vorísek, dem zu Lebzeiten großer Erfolg beschieden war, der jedoch heute weitgehend in Vergessenheit geraten ist. Die international renommierte Konzertpianistin Gerlint Böttcher, die im Rahmen der Reihe "Meisterkonzerte" im Theatersaal des Kulturhauses gastierte, hat auf einem ihrer Alben Kompositionen beider Komponisten gegenüber gestellt, wobei es sich bei den Rhapsodien von Vorísek um Ersteinspielungen handelte. Somit gehörte die erste konzerthälfte zu einem guten Teil diesen Komponisten. Obwohl beide in Wien lebten und wirkten und beider Musik als Bindeglied zwischen Klassik und Romantik viele Parallelen aufweist, haben sich Schubert und Vorísek wohl nie persönlich kennen gelernt. Umso interessanter gestaltete sich ihre Begegnung in der musikalischen Form.

 

Mit zwei Rhapsodien Voríseks eröffnete Gerlint Böttcher den Abend. Gefühlvoll und frisch schmeichelte die präzise interpretierte Rhapsodie Nr. 9, g-Moll, den Ohren des Zuhörers. Deutlich schneller, stakkatoartig und frisch-perlend wie ein guter champagner folgte Böttchers Interpretation der Rhapsodie Nr. 10, C-Dur. Dem gegenüber standen zwei Impromptus aus Schuberts Werk, und zwar jene, die von seinen insgesamt vier Impromptus noch zu Schuberts Lebzeiten veröffentlicht wurden. Auch sie flossen der Pianistin spritzig aus den Fingern, schillernd, funkelnd und elegant blieben die Impromptus Nr. 2, Es-Dur, und Nr. 4, As-Dur noch lange im Gedächtnis des Zuhörers haften. Dramatischer und stürmischer, temperamentvoller und wilder wurde es dann beim abschließenden Werk des ersten Konzertteils, der Ballade Nr. 1 in g-Moll von Frédéric Chopin. Trotz vieler unterschiedlicher Elemente, die von der Pianistin treffsicher herausgearbeitet und gegenüber gestellt wurden, hat die Komposition dennoch eine heterogene Wirkung auf den Zuhörer.

 

Nach der Pause widmete sich Gerlint Böttcher mit zwei Stücken dem aus Posen stammenden Komponisten Franz Xaver Scharwenka, dessen Schaffen maßgeblich von bedeutenden Komponisten seiner Zeit wie Ferdinand Hiller, Johannes Brahms und Franz Liszt beeinflußt wurde. Präsentierte sich das Impromptu D-Dur op. 17 melodiös und geradlinig, enthielt die Novellette op. 22 in f-Moll auch einige dramatische Züge. In beiden Werken wurde Scharwenkas Nähe zur Romantik deutlich, die sich wie ein roter Faden durch den gesamten Konzertabend zog.

 

Die letzte und umfangreichste Darbietung des Konzertes stellte schließlich die sechsätzige Klaviersuite "Le tombeau de Couperin" von Maurice Ravel dar, die durch die vielfältige Präsentation unterschiedlicher Stilrichtungen des Barockzeitalters besticht. Der "musikalische Grabstein" (Tombeau) zeichnete sich dadurch aus, daß er zwar auch beschwingte Elemente wie in der tarantella-ähnlichen "Forlane" enthält, letztlich aber auch dunkle Aspekte transportiert, denn die einzelnen Sätze sind gefallenen Kriegskameraden des Komponisten gewidmet. Diesen Kontrast vermochte die Pianistin emotional wirkungsvoll herauszuarbeiten und vermittelte so auf treffende Weise die Spannung des Werkes.

 

Interessierte Fragen nach dem Komponisten im Rahmen einer kurzen Signierstunde im Foyer lösten die rasant und fingerfertig präsentierte Zugabe aus - der "Feuertanz" des zeitgenössischen Komponisten Günther Franz Kasseckert ließ am Ende eines virtuosen Konzertabends ein letztes Mal aufhorchen.