Kabinettstückchen am Flügel
Westfälische Nachrichten von Erhard Hundorf, Foto von Dr. Lukas Meiners
Pianistin Gerlint Böttcher begeistert in Haus Welbergen
Ochtrup. Die Berliner Pianistin ist weltweit auf den Konzertpodien zu Hause, spielt aber auch immer wieder gerne im intimen Rahmen von Kammerkonzerten. Die Stadt Ochtrup engagierte sie jetzt erneut für ein Kulturring-Konzert, nachdem sie vor zwei Jahren in der Villa Winkel ein begeistertes Publikum zurückgelassen hatte.
In der Wasserburg Welbergen zieht der kleine Vortragsraum die Zuhörer noch enger mit in das Geschehen ein. Dort lässt sich dem Pianisten im wahrsten Sinne des Wortes auf die Finger sehen und der Tastenzauber, mit denen der Interpret das Oeuvre gestaltet, staunend bewundern.
Zu Beginn eine Sonate von Ludwig van Beethoven, aber nicht eine der mit großen Namen versehenen und sattsam bekannten, sondern mit der Sonate Nr. 18 Es-Dur op. 31,3 - eines der launigsten Werke Beethovens. Mit spielerisch - graziösem Anschlag deutete Böttcher dieses kapriziöse Werk, begeisterte im Schlusssatz mit einer quirligen, sehr präzisen Tarantelle, das „con fuoco“ beim Wort genommen.
Als Kabinettstückchen besonderer Art entpuppte sich der zweite Satz (Scherzo) mit seinen trockenen Staccati, durchlaufenden Sechzehntelbewegungen und bizarren Akzentuierungen auf unbetonten Taktteilen. Danach entführte die Interpretin die Zuhörer mit der Konzertetüde Nr. 3 Des-Dur (1848) in die Welt von Franz Liszt. Wie so oft bei beliebten Stücken wurde sie mit dem Untertitel „un sospiro“ („ein Seufzer“) versehen: Eine wunderbare Kantilene schwebte über einem Klangteppich gebrochener Akkorde, das glitzernde virtuose Beiwerk wurde in die Gestaltung eingewoben. Brillantes Laufwerk in beiden Händen bestimmt die Paganini-Etüde Nr. 2 Es-Dur. Klar, durchsichtig, ohne Schwulst entfaltete Böttcher ein bezauberndes Tonspiel. Im „Gnomenreigen“ huschte die Interpretin mit filigraner Staccatotechnik über die Tasten, überleitend zum „Rondo capriccioso“ op. 14 von Felix Mendelssohn - Bartholdy, in dem auch wiederum die flockige Staccatotechnik überwiegt.
Von den viel gerühmten Schubertschen „himmlischen Längen“ kann man nicht genug bekommen, wenn sie so zelebriert werden wie in den drei Impromptus aus op. 90: ein scheinbar nie versiegender, dahinfließender Melodiestrom, einfühlsam gestaltet.
Als krönender Abschluß eines wundervollen, beeindruckenden Konzertabends die Ballade g-Moll op. 23 von Frédéric Chopin. Böttcher zeigte eine Interpretation, die die Balance zwischen Tiefgründigkeit und einer Art Über-Virtuosität hielt. Das „Scherzo“ aus Sergej Prokofjews zweiter Sonate gab es als Zugabe.
Bildunterschrift:
Fesselte die Zuhörer beim Kulturring-Konzert in der Wasserburg Welbergen: Gerlint Böttcher