Mit Charme und Frische gegen die Hitze

07. Juli 2010

Ems-Zeitung, Matthias Hockmann Papenburg

 

Sie lächelt dezent, verbeugt sich höflich und drapiert mit der linken Hand eine eigenwillige Haarsträhne hinterm Ohr. Ihr elegantes Abendkleid, frisch gebügelt, legt sich in vitalem Schwung über den pechschwarzen Klavierstuhl. Draußen brüllt die nordische Julihitze. Die Pianistin Gerlint Böttcher ist eigens für die dritte Weltklassik-am-Klavier-Ausgabe aus Berlin angereist und muss nun ein Kleid tragen, aus dessen Stoffvolumen sich knapp 40 Badeanzüge schneidern ließen. Das entspricht ungefähr der Zahl der Gäste, die eine quirlig-frische Akkustikdusche einem Ganzkörperbad im Swimmingpool vorgezogen haben. Die klassische Variante. Böttcher hebt an zu starken Tönen, prescht frech nach vorn mit einem Einstiegskracher, an den fürs Aufwärmen selten gedacht wird: Mendelssohns Rondo capriccioso op. 14. Mut und Chuzpe, Frau Böttcher! Sie rutscht, verrät sie später, auf der Klaviatur hin und her, denn ihre Finger sind in Schweiß gebadet das präzise Spiel ihres hochkultivierten Standards wird niedergewalzt durch Naturgewalt, weil selbst die schärfste Disziplinarstrafe niemanden vom Schwitzen abhält.