Pianistin Gerlint Böttcher musizierte gemeinsam mit der Magdeburgischen Philharmonie
Das Orchester, Ulrike Löhr
Das Zigeunerblut brodelte beim ungarischen Abend im Opernhaus
Wenn über ungarische Musik des 20. Jahrhunderts gesprochen wird, dann nennt man Kodály und Bartók in einem Atemzug. Das jüngste Sinfoniekonzert der Magdeburgischen Philharmonie tat das ebenso mit den „Tänzen aus Galánta" von Zoltán Kodály und Béla Bartóks Klavierkonzert Nr. 3.
Magdeburg. Beide Komponisten reisten vielfach über die ungarischen Dörfer und avancierten förmlich zu Volksliedforschern. Folkloristisch inspiriert gingen jedoch beide eigene kompositorische Wege. Die Magdeburgische Philharmonie unter der Leitung ihres Generalmusikdirektors (GMD) Francesco Corti präsentierte mit Kodálys „Tänzen aus Galánta" einen schmissigen Konzertauftakt mit spielfreudiger Geschlossenheit und wunderbarer Präzision im rhythmischen Zusammenspiel.
Musikalisches Denkmal an die Heimat
Kodálys musikalisches Denkmal an seine Heimat, in der er seine glückliche Kindheit verbrachte, gehört zu den populärsten seiner Orchesterwerke überhaupt. Dass das so bleibt, dafür sorgten die Philharmoniker mit schmelzenden Unisono-Celli, schwelgerischen Streichern und einer bezaubernden romantisch sehnsuchtsvollen Solo- Klarinette, bis schließlich musikalisch das Zigeunerblut sowohl bei Corti als auch bei den Musikern zu brodeln begann.
Wie vehement stimmten die Holzbläser die schönen Tanzthemen an, immer wieder wurde man an die Rolle der Klarinette in der Zigeunerkapelle erinnert. Den Sonderapplaus hatte sich Soloklarinettist Georg Dengel für sein hervorragendes Musizieren zwischen melodiösen, temperamentvollen und rhythmisch anspruchsvollen Klangfarben redlich verdient.
Ein ähnlicher Reichtum an spätromantisch-impressionistischer Klangvielfalt kam mit Béla Bartóks Klavierkonzert Nr. 3 zu Gehör. Die Weichheit und den lyrischen Grundcharakter des Werkes - man sagt, weil Bartók es für seine Ehefrau und Pianistin Ditta Pásztory komponierte - brachte in Magdeburg auch die Gast-Pianistin Gerlint Böttcher zutage.
Mit sehr beeindruckender Anschlagskultur wurde sie mit diesem Konzert ihrem Ruf als gefühlvolle Virtuosin vollends gerecht. Hier schienen sich Bartóks Anliegen und das Empfinden der Solistin zu einen in dem Verzicht spieltechnischen Prunks und solistischer Eitelkeit zugunsten eines flüssigen Parlandostils. Mit fein differenziertem Klavieranschlag charakterisierte Gerlint Böttcher sowohl die Vogelrufe im Zwiegespräch mit dem aufmerksamen Orchester als auch die verschiedenen akkordischen Choräle im „Adagio religioso". Eine Wonne war es, als ein wundervolles Bläserquartett mit Horn, Oboe, Klarinette und Fagott die Solistin in den Harmoniewechseln elegant unterstütze.
Besonders in diesem zweiten Satz war die von Beethoven und Bach hergeleitete Klangsprache zu hören.
Doch immer wieder ertönte die klare taghelle Natur mit Vogelrufen - vielleicht eine Rückbesinnung für Bartók am Ende seines Lebens und dem Schrecken eines Weltkrieges.
Diese Emotionalität, auch im beschließenden Ecksatz mit Pauke, großer Trommel und Blechbläsern, gewann durch Gerlint Böttchers plastisches Spiel an hintergründiger Gestaltungskraft - ohne Härte entwickelte sie dynamische Spannungen als angenehme Mischung von galantem Klangsinn und energischer Spielfreude, wofür sie das Publikum feierte.
Brahms - ernsthaft und pathetisch
Ebenso von der Übermacht des Beethovenschen Vorbildes beeinflusst war Johannes Brahms' langer und beschwerlicher Weg zu seiner 1. Sinfonie c-Moll op. 68, die im zweiten Konzertteil erklang. Brahms' 1. Sinfonie wird als ernsthaft und pathetisch charakterisiert. Die anhaltenden Achtel der Pauke zu Beginn zeugten davon, doch die Schönheiten des ersten Satzes erklangen in einer beeindruckenden Homogenität der Musiker. Die Satzvorgaben von langsam zurückhaltend, über schnell bis zu weich-süß und schließlich mit Feuer erfasste Francesco Corti hervorragend mit strukturiertem entschlossenem Dirigat. Die Solo-Einlagen von Oboe, Horn und Violine und wieder der Klarinette wurden hervorragend gemeistert. Die Zuhörer schwelgten in tollen Holzbläsersequenzen, die Zwiesprache der Stimmgruppen war faszinierend gestaltet.
Und im großartigen Schlusssatz mit Alphornmotiv, vollem hymnischen Streichersatz, choralartigen Blechbläsern - freiheitlich á la Beethoven - hatten Corti und seine Philharmoniker immer noch Spannung und Energie für einen brillant gesteigertes Finale.
Diese Sinfonieaufführung gehört in den Topf der Highlights der Saison.