Pianistin in heikler Mission
Märkische Oderzeitung, Uwe Stiehler, Fotografie © HENRIETTE BRENDLER
Eichwalde (MOZ) Als deutsch-russisches Jahr wurde das jetzt zu Ende gehende ausgerufen. Da gab es in Berlin eine große Ausstellung, die sich mit 1000 Jahren deutsch-russischer Beziehungen beschäftigt hat. Dresden zeigt gerade Schätze des Kreml. Doch Botschafter dieses Kulturaustauschs sind auch Theaterleute, bildende Künstler und Musiker wie die in Eichwalde bei Berlin lebende Pianistin Gerlint Böttcher. Sie ist jetzt zurückgekehrt von einer Konzertreise, die sie nach Rjasan führte. Die 500 000-Einwohner-Stadt liegt 200 Kilometer südlich von Moskau. Gerlint Böttcher war selbstbewusst und mutig genug, um dort Schostakowitsch und Prokofjew vorzutragen. Als Deutsche russische Komponisten vor russischem Publikum zu spielen "das ist schon heikel", sagt sie. Weil die Russen diese Musik ja beinahe vergöttern und empfindlich auf den unempfindsamen Umgang mit ihren Idolen reagieren.
Umso berührender empfand sie es, dass das Publikum in Rjasan ihr so sehr zugetan war. "Es war unerwartet toll für mich", sagt sie und meint nicht nur das Konzert, die Beifallsstürme, sondern das ganze Klima und die Organisation. Sie ist in der frisch restaurierten Philharmonie aufgetreten und hatte nicht damit gerechnet, dort an einem Steinway sitzen zu dürfen.
Mit der Reise, sei für sie ein Traum in Erfüllung gegangen, sagt die Pianistin, deren Tourneen sie bis nach Syrien und in den Libanon führen. "Ich habe mir immer gewünscht, Schostakowitsch und Prokofjew in Russland spielen zu dürfen". Es ist Musik, die ihr seit ihrem Studium nahe ist. Prokofjew war ihr Diplom-Thema. In den Werken der beiden Komponisten stecke so viel Substanz. Je länger man sich mit ihnen beschäftigt, um so mehr kann man bei ihnen entdecken. "Auch nach Jahren noch."
Diese Musik gibt es jetzt auch zum Nachhören - als Live-Mitschnitt. Aufgenommen wurde der zwar nicht in Russland, sondern dieses Jahr bei den Bad Homburger Schlosskonzerten. Das Stück, das Gerlint Böttcher spielt, ist aber das gleiche: Schostakowitschs Konzert für Klavier, Trompete und Streichorchester op. 35. Sie interpretiert es sehr temperamentvoll, mit ungeheuerer Energie. Und einer Spannung, die diese Musik zu einem dramatisches Erlebnis werden lässt - das feurig endet.