Pianistin liefert Virtuosität und Unterhaltung
Münstersche Zeitung, Ulrich Coppel, Fotografie © Ulrich Coppel
STEINFURT Gerlint Böttcher, Berliner Pianistin, gastierte am Samstagabend im ausverkauften Bagno.
Zu Beginn erklangen 3 der 12 Rhapsodien, op.1 von Jan Václav Voríšek. Der Komponist tschechisch-österreichischer Abstammung war ein Zeitgenosse von Franz Schubert, dessen kompositorische Stilistik ebenso wie der des hauptsächlich erst später wirkenden Frederik Chopin vergleichbar ist.
Dies scheint wichtig, wenn man den historischen Gehalt dieser Musik beschreiben will. Die Rhapsodien stellen große Anforderungen an die technische Virtuosität des Interpreten, so dass Gerlint Böttcher direkt von Beginn an mühelos und mit klarem Ausdruck ihr Können bewies.
Unbändig kraftvoll wirkte das Spiel der zierlichen Musikerin in dieser ersten Programmphase.
„Heftige Brocken“
Dem zu Unrecht wenig bekannten Jan Václav Voríšek setzte die Berlinerin mit Franz Liszts Konzertetüde Des-Dur, der Paganini Etüde Nr. 2 in Es-Dur, sowie der Konzertetüde „Gnomenreigen“ gleich mehrere unstrittig als „heftige Brocken“ bekannte Meilensteine der Klaviermusik entgegen.
Überraschenderweise klangen da aber neben den großen Gesten, den rasenden Tempi im „Gnomenreigen“ etwa, doch nicht selten sehr sanfte, leise und zärtliche Melodien, behutsam getragen mit viel luftigem Pedal.
Frappierend war der deutliche interpretatorische Kontrast zum zuvor dargebotenen Voríšek, wo die Musikerin konsequent die Grenzen der dynamischen Möglichkeiten des großen Steinway-D Flügels ausreizte.
Mit Wolfgang Amadeus Mozarts 12 Variationen über „Ah, vous dirai-je Maman“ C-Dur KV 265 erklangen zu Beginn der zweiten Konzerthälfte typisch klassische Variations-Sätzlein über ein Thema, das die Kleinsten gern zu Weihnachten auf der Blockflöte vortragen.
Die Kunst der Leichtigkeit
Beispielhaft lässt sich dieses Stück für den klassischen Virtuosenkult anführen, durften dafür damals die Themen doch gern so einfach sein, dass man sich darüber amüsien konnte, ja sollte, um sie in den Variationen sodann zu unbändigen Monstern aufzublähen.
Böttcher bewältigte derlei Kunststücke mit größter Leichtigkeit. Indes musikalisch noch einfacher waren die darauf folgenden beiden Kempff-Bearbeitungen der Bach-Siciliana aus der Flötensonate BWV 1031, sowie des Chorals „Jesu bleibet meine Freude“ aus der Kantate BWV 147. In dem anschließenden „Claire de lune“ aus der Suite Bergamasque von Claude Debussy verstand es Böttcher, die Akzente sanft und unprätentiös dahinzuträumen.
Kraftakt: Prokofiew
Sergej Prokofiews Sonate Nr. 2 d-Moll op.1 gilt als höchst anspruchsvolles Meisterwerk russischer Klavierkunst. Gerlint Böttcher bewältigte dessen Anforderungen vollumfänglich bis zum abschließenden „Vivace“ mit überragender Technik und Ausdruckskraft.
Begeistert begab sich das Publikum nach den beiden Zugaben, Brahms bekanntem Wiegenlied „Guten Abend, Gute Nacht“, sowie Schtschedrins „Humoresque“ auf den Nachhauseweg.