Trotzig

Märkische Allgemeine, Frank Kallensee

 

Wer des Formalismus bezichtigt wurde, dem drohte Verfolgung, Vertreibung, Vernichtung. Dmitri Schostakowitsch erwischte es 1936, als die „Prawda“ seine Oper „Lady Macbeth von Mzensk“ mit der Schlagzeile „Chaos statt Musik“ verdammte. Er wurde zum Verhör einbestellt. Monatelang schlief er angezogen, den gepackten Koffer neben sich, der Verhaftung stets gewärtig. Es zerrüttete ihn. „Warten auf die Exekution ist eines der Themen, die mich gemartert haben. Viele Seiten meiner Musik sprechen davon“. Tatsächlich spricht nur seine Musik davon. Die im brandenburgischen Zernsdorf lebende und in Berlin lehrende Pianistin Gerlint Böttcher hat sich nun das 1933er Konzert für Klavier, Trompete und Streichorchester op. 35 ausgesucht, um jenen Behauptungswillen hörbar zu machen, zu dem sich Schostakowitsch nur im engsten Kreis bekannte „Und wenn sie mir beide Hände abhacken, werde ich mit den Zähnen eine Feder halten und weiter Musik schreiben“. Weder Gerlint Böttcher noch den Trompeter Rudolf Mahni ängstigen die tönenden Fallhöhen oder strukturellen Verästelungen. Die Noten „sitzen“. Lyrisches hat genauso seinen Platz wie flackernd Verzweifeltes und ironisch Groteskes. Elan und Farbe gibt’s vom Südwestdeutschen Kammerorchester Pforzheim obendrauf; geleitet von Aurelien Bello, der übrigens seit 2009 am Pult der jungen Philharmonie Brandenburg steht. Zusammen erzählen sie von einem, der sich sein Werk in dem Bewusstsein abtrotzte, dass ihm jede Dissonanz, den Kopf kosten könnte. Die CD ist der Live-Mitschnitt von den Bad Homburger Schloßkonzerten, weshalb noch Stücke von Bach, Hertel und Volkmann geboten werden. Doch im Ohr bleibt - Schostakowitsch.