Unprätentiös
Klare Konturen: Die Pianistin Gerlint Böttcher
Märkische Allgemeine, Albrecht Thiemann
Maurice Ravels unter dem Eindruck des Ersten Weltkriegs entstandene Suite „Le Tombeau de Couperin“ (1917) zählt zu den populärsten Klavierwerken des 20. Jahrhunderts. Die rhythmische Intensität der (barocken) Tanzsätze, das leuchtende Kolorit des Prélude, die strenge konstruktive Dichte der Fuge und Toccata - all das erfordert eine interpretatorische Flexibilität, bei der es weniger auf donnerndes Virtuosentum als auf nuancierten Ausdruck und klare Artikulation ankommt.
Die im brandenburgischen Zernsdorf lebende Pianistin Gerlint Böttcher hat nun ein CD-Recital vorgelegt, das Ravels Zyklus mit einem gewissen Understatement interpretiert. Da verwischt kein exzessiver Pedalgebrauch die Konturen, der Anschlag bleibt noch in den drängendsten Passagen präzise und kontrolliert. Mit jedem Takt verstärkt sich der Eindruck, dass hier eine Musikerin an den Tasten sitzt, die ihre technische Brillanz nicht als Selbstzweck, sondern als Dienst an der Sache begreift.
Ein wohltuend unprätentiöser Stil charakterisiert auch Gerlint Böttchers Zugriff auf Sergej Prokofjews zweite Klaviersonate d-Moll (1914): Statt einer bloß auf Schaueffekte angelegten Motorik dominiert der Sinn für das jeweilige spezifische Gewicht der vier Sätze, etwa den koboldhaften Witz des Vivace-Finales. Ein anmutiger Blick auf Mendelssohns „Rondo capriccioso" (1828) und drei kraftvoll, jedoch gänzlich unmanieriert klingende Hörproben aus der Lisztschen Etüdenwerkstatt runden die Auswahl ab. Chapeau.
Gerlint Böttcher (Klavierwerke von Maurice Ravel, Felix Mendelssohn Bartholdy, Sergej Prokofjew und Franz Liszt). Querstand/Musikwelt.