Wirbelwind am Piano

Gerlint Böttcher mit virtuosem Programm in Dirmstein

 

Rheinpfalz, Rigobert Völpel

 

Es ist immer wieder erstaunlich, mit welch guten Musikern die Konzerte im Sturmfeder´schen Schloß Dirmsteins aufwarten. Obwohl oder gerade weil Gerlint Böttcher schon in Dirmstein zu Gast war, war der Saal im Schloss am Sonntagnachmittag voll. Der Titel des Konzerts „Piano virtuoso“ passte perfekt: Was Böttcher aus dem großen Flügel herausholte, zeigte ihr technisches Geschick und ihre künstlerische Ausdrucksfähigkeit, war virtuos und dennoch klar strukturiert. Ein guter Freund Franz Schuberts war Jan Vaclav Vorisek, aus dessen Kompositionen die Pianistin drei Rhapsodien heraussuchte. Rhapsodien waren in der Romantik sehr beliebt, sind sie doch an keine Form gebunden. Spritzig, dynamisch schön abgestuft entfachte Böttcher schon im ersten Stück ein Feuerwerk an Klängen, hob den langsamer wirkenden Mittelteil ausdrucksstark heraus, nicht überschwänglich gefühlvoll, eher sachlich, um Klarheit bemüht. In der a-Moll Rhapsodie konnte man die Motive durch den Flügel wandern hören, da flitzten die brillant gespielten Figuren über die Tasten. Sie zeigte einmal mehr das Klavier als ein Instrument mit vielen Nuancen des Anschlags, genau wie in der dritten Rhapsodie, wo die Intention des Komponisten deutlicher herausgearbeitet wurde. Ganz anders waren dann die „Einsame Blume“ und die „Freundliche Landschaft“ aus Schumanns „Waldszenen“. Hochdifferenziert ging die Pianistin an diese subtilen Stücke heran, arbeitete die unterschiedlichen Gestaltungsmittel heraus, ließ die Dissonanzen bei der „Einsamen Blume“ und die heiter beschwingte Idylle bei der „Freundlichen Landschaft“ bildhaft werden. Felix Mendelssohn-Bartholdy hat sein Variationswerk op. 54 „Variations serieuses“ genannt, um sich von den in dieser Zeit beliebten rein virtuosen Klangstücken abzusetzen. So baut er auf Beethoven auf und weist schon auf den späten Brahms hin. Hier konnte Gerlint Böttcher ihre Meisterschaft am Klavier beweisen. Alle pianistischen Schwierigkeiten wie perlende Läufe, weite Sprünge oder großgriffige Akkorde verband sie mit den jeweiligen Charakteren der 17 Variationen, vergaß den großen Bogen nie und formte die einzelnen Teile zu einem Großen zusammen. Dafür gab´s erste Bravorufe. Natürlich darf auch Liszt in einem solch virtuosen Programm nicht fehlen. Etüden sind eigentlich Werke, die sich mit jeweils einem technischen Problem auseinander setzen. Bei Liszt haben diese nicht nur Übungszweck, sondern sind auch vollständige Kunstwerke, Melodien schweben träumerisch auf einer Klangfläche, wie etwa bei der Konzertetüde Des-Dur. Mit toller Technik steigerte die Künstlerin die Intensität des Werkes ins Unermessliche, bis zum klaren sanglichen Schluß. Im „Gnomenreigen“ konnte man die guten Geister förmlich auf den Tasten herumspringen hören, duftig, scherzhaft, toll gespielt mit durchsichtigem Witz. Als „Variationsetüden im orchestralen Gewand“ bezeichnete Schumann seine „Symphonischen Etüden op. 13“. Auch hier gelang es der Pianistin, die leidenschaftliche Glut, die den Variationen innewohnt, herauszuarbeiten. Sie bot dieses durch einen ansteigenden Dreiklang zusammengehaltene feingliedrige Werk mit seinem unglaublichen kreativen Reichtum an harmonischen Wendungen, an vielfältigsten rhythmischen Passagen, so dar, dass der romantische Zauber nicht verloren ging, dass auch bis zum orchestralen Pompösen in aller dynamischen Bandbreite die Musik nicht zu kurz kam. Intensität und Dramatik waren gepaart mit äußerster Präzision in den Läufen, Akkorden, Oktaven und den Riesensprüngen. Gerlint Böttcher wurde zum Wirbelwind auf den Tasten, und es ist nicht verwunderlich, dass Bravorufe und tosender Beifall zwei Zugaben erzwangen, wobei die Brahms´schen Variationen über „Guten Abend, Gute Nacht“ einen wunderbaren, aber auch eindeutigen Abschluß des Konzerts darstellten.